Review

Baby Steps · Test

Veröffentlicht am 28.09.2025 von Andreas Erber

Titelbild von Baby Steps (PC, PlayStation 5)

Unbequem, aber auch kreativ!

Baby Steps für die PlayStation 5 und den PC ist kein gewöhnliches Videospiel, sondern eine absichtliche Mischung aus Physik-Experiment, Slapstick-Komödie und stiller Charakterstudie. Statt Action oder ein schnelles Erfolgserlebnis zu bieten, zwingt es Spieler:innen dazu, über jeden einzelnen Schritt nachzudenken. Gerade weil es die simpelste aller Bewegungen, das Gehen, komplett auf die Schultern des Spielers legt, entsteht eine Mischung aus Frustration und Befriedigung, aus Albernheit und Ernst. Diese eigenwillige Herangehensweise macht Baby Steps zu einem der auffälligsten Indie-Titel des Jahres, wenn nicht sogar der letzten Jahre!

Entwickelt wurde das Spiel von drei unabhängigen, kreativen Entwicklern, die alle für sich schon einen Ruf für ungewöhnliche Ideen haben. Darunter Bennett Foddy, Gabe Cuzzillo und Maxi Boch. Gemeinsam mit Publisher Devolver Digital, der für seine experimentierfreudigen Indie-Releases berühmt ist, haben die Drei ein Spiel geschaffen, das in jeder Faser nach „anders“ riecht. Humorvoll, unbequem, dabei aber immer auf der kreativen Seite.

Screenshot von Baby Steps

Zwischen Selbstfindung und Durchhaltevermögen.

In Baby Steps schlüpfen Spieler:innen in die Rolle von Nate, einem 35-jährigen Mann, der sich als arbeitsloser „Failson“ durchs Leben hangelt und seine Tage eher lethargisch verbringt. Failson ist ein Begriff für einen erwachsenen Sohn aus einer reichen oder berühmten Familie, der trotz seines Privilegs erfolglos ist und wenig Talent oder Ehrgeiz besitzt. Eines Tages findet Nate sich in einer seltsam nebligen, bergigen Welt wieder, in der er buchstäblich neu lernen muss, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Diese Welt ist kein klar definierter Schauplatz, sondern wirkt wie eine surreale Mischung aus Traum, Fantasie und Abenteuerspielplatz. Auf dem Weg begegnet Nate gelegentlich skurrilen Figuren und erlebt kurze, humorvolle oder nachdenkliche Szenen, die den eigentlichen Marsch strukturieren. Es entwickelt sich eine stille, fast meditative Reise über Selbstfindung, Frustbewältigung und Durchhaltevermögen.

Screenshot von Baby Steps

Gameplay & Steuerung

Der eigentliche Kern von Baby Steps liegt in der Steuerung. Jeder Schritt, jede Gewichtsverlagerung, jedes Gleichhalten des Körpers liegt in den Händen der Spieler:innen. Sie steuern Nates Beine einzeln, verlagert sein Gewicht und versuchst, ihn über Hügel, Felsen und rutschige Pfade zu manövrieren. Ein kleiner Fehler genügt und schon stolpert er, fällt um oder rutscht zurück. Das Spieltempo ist bewusst langsam gewählt, da das Game möchte, dass man sich jeden Meter erkämpft. Gerade diese Sperrigkeit erzeugt eine eigene Spannung. Wenn Nate endlich einen schwierigen Abschnitt gemeistert hat, ist die Befriedigung bei den Spieler:innen mit Sicherheit viel größer als in manch so anderen Games. Die offene, weitläufige Berglandschaft lädt zum Erkunden ein, birgt aber auch Gefahren und Höhenunterschiede, die mit der eigenwilligen Steuerung noch kniffliger werden. Checkpoints sind übrigens nicht immer optimal platziert, was die Frustration zusätzlich steigert. Dafür gibt es immer wieder kleine Momente von Humor und absurden Gags, die das Erlebnis auflockern und den Frust abfedern.

Screenshot von Baby Steps

Grafik & Sound

Optisch setzt Baby Steps auf eine Mischung aus stimmungsvoller Berg- und Nebellandschaft und unbeholfen animierte Figuren. Schade nur, dass die Kamera ab und zu herumzickt. Nate wirkt absichtlich tollpatschig, denn seine Beine wackeln, das Gleichgewicht schwankt, aber das ist genau so gewollt und unterstützt den Slapstick-Charakter. Gleichzeitig sind Licht, Wetter und Nebel schön umgesetzt und tragen zu einer dichten Atmosphäre bei, die von surrealen Momenten lebt.

Auch akustisch überzeugt das Spiel. Der Soundtrack reagiert dynamisch auf Nates Bewegungen und sein aktuelles Umfeld. Die Musik fährt dynamisch weiter hoch, wenn Spieler:innen sich vorwärtskämpfen, und senkt sich wieder, wenn sie stehen bleibt. Schrittgeräusche, Stürze und Windgeräusche sind deutlich hörbar und verleihen jeder Bewegung Gewicht. Kurze Dialoge und Begegnungen lockern das stille Marschieren auf und fügen eine Portion Humor hinzu.

Screenshot von Baby Steps

Fazit

Baby Steps ist ein mutiges und ungewöhnliches Experiment. Wer Geduld und ganz viel Frusttoleranz mitbringt, erhält ein Spiel, das auf seine ganz eigene Art belohnt. Es ist langsam, unbeholfen, aber gerade dadurch tief befriedigend. Humor, schräge Einfälle und eine atmosphärische Welt machen den Weg immer wieder interessant, auch wenn es an Komfort und Action fehlt. Für Spieler:innen, die Lust auf etwas völlig anderes haben und denen Frustration nichts ausmacht, ist Baby Steps ein Highlight. Alle anderen werden sich vermutlich schnell überfordert oder gelangweilt fühlen, denn "Action" ist in Baby Steps ein Fremdwort.

Pro

  • originelle, ungewöhnliche Steuerung mit kompletter Kontrolle über jedes Bein
  • humorvolle und absurde Momente, die das Frustpotenzial abfedern
  • atmosphärische Landschaften und surrealer Stil
  • dynamischer Soundtrack und gelungenes Sounddesign
  • tiefere Themen wie Selbstzweifel und Durchhaltevermögen geschickt eingebettet
  • große Freiheit bei der Erkundung und viele versteckte Gags

Contra

  • hohe Frustration durch unpräzise Steuerung und häufige Stürze
  • unzureichend platzierte Checkpoints und Kameraprobleme
  • langsames Tempo und wiederholte Bewegungen können ermüdend sein
  • die Story bietet nur wenige erzählerische Höhepunkte
  • wer Action und Komfort erwartet, wird in Baby Steps nicht fündig

Wertung

Testergebnis:75%

7.5Gut

Kaufempfehlung

35% Kaufempfehlung

35%Nicht für Jeden geeignet

Getestet wurde Baby Steps auf PS5 von Andreas Erber. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version1.000.006 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für Baby Steps wurde uns von Cosmocover kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!