Gran Turismo Sport · Test
Veröffentlicht am 22.10.2017 von Tobias Creter
The Real Driving Simulator?
Nun ist Gran Turismo nach vielen Jahren Entwicklungszeit und Verschiebungen endlich auf der PS4 angekommen. Doch hat sich das lange Warten für die Fans der Serie gelohnt oder ist die Konkurrenz GT mittlerweile davon gefahren? Das “Sport” im Namen deutet schon an, dass es sich nicht einfach nur um einen neuen Teil dreht, sondern sich der Schwerpunkt verändert hat. Wer noch die riesige Fahrzeugauswahl aus alten Teilen kennt, der dürfte erstmal geschockt sein wenn er jetzt nur noch einen Bruchteil davon im neuen GT Sport vorfindet. Vorbei ist auch die Zeit, wo man im Singleplayer einen echten Karriere-Modus hatte. Durch die neue Ausrichtung auf eSport stand ganz klar der Online Multiplayer im Focus der Entwickler. Ob dieser hält was er verspricht erfahrt ihr weiter unten.
Rennspiel zwischen Simulation und Arcade
Das Spiel startet mit einer schönen Intro, durch die man direkt Lust auf rasante Autorennen bekommt. Leider folgt die Ernüchterung direkt danach denn einfach in einem beliebigen Rennwagen losdüsen ist nicht. Als Geschenk bekommt man ein Auto und den Rest muss man freispielen oder mit In-Game-Währung kaufen. Doch auch die will ja zuerst verdient werden. Zudem sind sogar im Arcade-Modus die Strecken gesperrt und werden erst nach und nach durch das eigene Fahrerlevel freigeschaltet. Der Sport-Modus ist auch erst nach dem Ansehen zweier Videos verfügbar, in denen man Regeln zum fairen Verhalten auf der Strecke nahegelegt bekommt. Hier fällt sofort auf, dass aus Kostengründen oder purer Faulheit weder eine deutsche Lokalisierung noch Untertitel vorhanden sind. Wer kein Englisch kann versteht dann zwar kein Wort aber bekommt trotzdem den Sport-Modus freigeschaltet. Weitere Besonderheit: die Videos sind alle nur auf YouTube und werden gestreamt. Im Prinzip kein Problem sofern man eine gute Internetverbindung hat. Internet ist sowieso zwingend erforderlich um das Spiel wirklich nutzen zu können. Alles Mögliche wird auf dem Server gespeichert, geteilt oder von dort geladen. Wäre jetzt ja kein großes Problem solange die Server funktionieren und erreichbar sind - was in der ersten Woche leider noch nicht so war.
Karriere
Typischer Einstieg bei GT ist auch hier wieder die Fahrschule, in der man sämtliche Grundlagen recht gut erklärt bekommt. Die 48 Lektionen müssen nach und nach erledigt werden und man kann sie entweder mit Gold, Silber oder Bronze abschließen. Zusätzlicher Ansporn sind die Bestleistungen der Freude und natürlich auch dass man dadurch Autos und Strecken freispielen kann. Das geht auch anfangs recht flott und man levelt schnell hoch. Wer die Basics drauf hat kann sich an Missionen oder ganze Strecken wagen. Auch dort erfüllt man Aufgaben und wird mit Medaillen, Erfahrungspunkten, Geld, Meilen und Autos belohnt. In allen 3 Modi könnt ihr euch optional während dem Laden der Strecke das jeweilige Erklärvideo anschauen oder den Beschreibungstext (auf deutsch) durchlesen. Ist mir völlig unverständlich warum man die Beschreibungstexte nicht als Untertitel im Video hinterlegt hat. Das wars leider auch schon, mehr gibts in der “Karriere” nicht zu tun.
Arcade
Hier findet ihr Einzelrennen gegen die KI, Zeitrennen, Drift-Rennen, 2 Spieler Splitscreen, VR-Tour und die Möglichkeit benutzerdefinierte Rennen zu erstellen. Leider müssen Strecken und Autos erst freigespielt werden. Doch das ist ja auch ein Anreiz und hat mir bisher (trotz aller Kritikpunkte) recht viel Spaß gemacht.
Online Multiplayer
Wer zur Abwechslung mal gegen menschliche Gegner fahren möchte, der kann entweder Veranstaltungen anderer Spieler beitreten oder selbst welche erstellen. Hierbei lassen sich relativ viele Einstellungen festlegen und auch als eigene Voreinstellungen speichern. Viele Einstellungen sind etwas unübersichtlich und unpraktisch. Es fühlt sich mehr wie ein Computerprogramm als ein Spiel an und hätte meiner Meinung nach schöner gelöst werden können. Im Rennen selbst hatte ich in der ersten Woche noch ständig Serverprobleme, Wartungsarbeiten oder Crashkids. Bisher kam da eher wenig Freude auf und das Spiel fühlte sich noch unfertig an, also eher wie eine Beta. Aber immerhin kam es zu deutlich weniger Abstützen als in der eigentlichen Beta. Wenn man mal das Glück hat mit vernünftigen Leuten zu fahren, die eine gute Internetverbindung haben, kann der Multiplayer aber auch richtig Spaß machen und zu spannenden Rennen führen.
Sport
Im Sportmodus bekommt man vom Entwickler Polyphony Rennen mit festgelegten Einstellungen vorgegeben, für die man sich dann qualifizieren kann, um am Rennen teilzunehmen. Die Rennen sind online und immer alle paar Minuten zu festgelegten Zeiten. Wird spannend zu sehen was hier in Zukunft noch kommt, denn hier kommt dann ja auch die offizielle FIA-Lizenz zum Tragen. Aktuell gibts immer nur 3 Events pro Tag zur Auswahl. Später sollen dort auch komplette Meisterschaften ausgetragen werden.
VR
Wer eine PlayStation VR hat kann die Arcade Rennen auch mit VR-Brille spielen. In Kombination mit Lenkrad ist das schon eine sehr gelungene Rennerfahrung. Man kann den Kopf frei drehen, in Kurven und Spiegel schauen und bekommt ein viel besseres Gefühl für Geschwindigkeit und Entfernungen. Allerdings geht das auf Kosten der Grafik, denn 4K schafft VR bei Weitem nicht. Trotzdem sehen die Autos und Strecken noch relativ gut aus und im Vergleich zu Dirt VR hatte ich auch viel weniger Probleme mit Motion Sickness. Allerdings sind die Schriften viel zu klein und unscharf, was die Streckenauswahl erschwert. Man kann auch in einem virtuellen Showroom um die eigenen Autos herumlaufen und sie von allen Seiten betrachten. Aber das ist mehr eine Spielerei. Wenn die Grafik in VR besser wäre, dann würde ich diesen Modus bevorzugen, denn das kommt einem echten Rennen schon recht nahe und funktioniert intuitiv.
Gameplay & Steuerung
Über 150 Sportwagen und 28 Kurse an insgesamt 17 internationalen Schauplätzen bieten Abwechslung, aber bei der Fahrzeugauswahl ist es etwas enttäuschend, dass viele Fahrzeuge nur Modellvarianten sind. Die Strecken sind eine gute Auswahl unterschiedlicher Typen: Rennstrecken, Schotterpisten, Stadtkurse und Ovale. Die Menüführung scheint irgendwie im Laufe der langen Entwicklungszeit durch viele verschiedene Hände gegangen zu sein. Sie ist weder konsistent noch besonders übersichtlich. Überall auf dem Bildschirm sind verschiedene Menüleisten und jede verhält sich etwas anders. Die Gruppierung ist für mich unlogisch und wichtige Funktionen, wie Fahrzeugwechsel nur schwer zu erreichen.
Abseits vom Renngeschehen kann man noch Autos und Rennanzüge optisch anpassen. Hier stehen relativ viele Optionen zur Verfügung. Anschließend kann man die erstellen Kunstwerke mit der Community teilen. Dann gibt es noch den umfangreichen Scapes-Modus, in dem man Autos perspektivisch korrekt in zweidimensionale Fotos einfügen kann. Damit lassen sich beeindruckende Ergebnisse erzeugen. Im Museum gibt jede Menge Hintergrundwissen - ob dieses allerdings intensiv von Spielern genutzt wird wage ich zu bezweifeln.
Ich habe nur sehr kurz mit dem Controller gespielt und bin dann schnell aufs Lenkrad (G29) umgestiegen. Die Tastenbelegung lässt sich relativ gut konfigurieren aber leider fehlen auch einige Einstellmöglichkeiten, wie zB. Totpunkt der Pedale oder des Lenkrads. Die größte Enttäuschung ist das magere Force Feedback mit dem G29. Scheinbar wurde GT Sport hauptsächlich für das neue T-GT optimiert und alle anderen Lenkräder sind dabei vernachlässigt worden. Das bekommt die Konkurrenz deutlich besser hin und liegt somit nicht an der Hardware. Dadurch fühlt sich das Spiel für mich auch nicht wie eine echte Rennsimulation an, sondern liegt gefühlt irgendwo zwischen Arcade-Racer und Simulation.
Grafik & Sound
Grafisch gibt es wenig zu meckern. Dank 4K, HDR und 60fps sehen die Autos, Strecken und Umgebungen großartig aus. Ich hatte weder Ruckler noch andere Grafikfehler. Besonders schön sind die Cockpitansichten gelungen, hier machen sich auch Blendeffekte am meisten bemerkbar. Der Sound ist besser geworden und die Autos klingen sehr unterschiedlich. Auch hier klingt es im Cockpit am Besten - im Optimalfall mit gutem Headset. Die nervige Musik kann man zum Glück stumm schalten. Leider gibt es weder ein echtes Schadensmodell, noch dynamische Wettereffekte. Man kann lediglich aus vorgegebenen Wettersituationen/Tageszeiten wählen. Da hätte ich mir vom “Real Driving Simulator” wirklich mehr erhofft. Allerdings muss man fairerweise sagen, dass zumindest das Rennfeeling und die Autos extrem gut rüberkommen.
Fazit
GT Sport macht es mir nicht leicht, viele Dinge fühlen sich einfach noch unfertig an und erwecken den Anschein, dass es trotz langer Entwicklungszeit zu früh auf den Markt geworfen wurde. Hoffentlich werden noch viele Patches und Updates folgen, die aus dem Spiel eine echte Rennsimulation machen. Und trotzdem hatte ich auf meinen ersten 500km viel Spaß mit dem Spiel. Die Jagd um die Bestzeiten und Goldmedaillen ist eröffnet und man wird regelmäßig mit Freischaltungen belohnt. Die Präsentation ist abgesehen von den Usability-Problemen wirklich gut und macht Lust auf mehr. Der VR-Modus ist gelungen und sollte von jedem rennsportbegeisterten VR-Besitzer mal ausprobiert werden. Zum jetzigen Zeitpunkt muss ich aber jedem potentiellen Käufer eher zum Probespielen raten, denn bei vielen dürften die Erwartungen aktuell eher nicht erfüllt werden.
Pro
- stimmungsvolle Gesamtpräsentation
- 60 fps, 4K & HDR (auf PS4 Pro)
- gute VR-Unterstützung (Arcade-Modus)
- Fahrschule mit vielen Tutorial-Videos
- einziges Rennspiel mit offizieller FIA-Lizenz
Contra
- kein echter Karriere-Modus
- sehr schlechte Menüführung
- bescheidene Lenkradunterstützung
- schlechtes Force Feedback
- aktuell noch Server-Probleme
- Videos nicht lokalisiert (nur englisch)
Wertung
8.5 Sehr gut
Kaufempfehlung
75%Empfehlenswert
Getestet wurde Gran Turismo Sport auf PS5 von Tobias Creter. Das Test Exemplar / der Review Code für Gran Turismo Sport wurde uns von Sony Interactive Entertainment Europe kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!