Atomfall · Test
Veröffentlicht am 24.03.2025 von Andreas Erber
England, 1962
Atomfall ist ein brandneues Survival-Action-Spiel, das am 27. März 2025 von Rebellion Developments für die PS5, PS4, Xbox Series X/S, Xbox One und PC veröffentlicht wurde. Als erstes neues IP des britischen Studios seit "Strange Brigade" markiert es einen mutigen Schritt weg von den bekannten Franchises wie "Sniper Elite" oder "Zombie Army". Das Spiel verspricht eine einzigartige Mischung aus post-apokalyptischem Setting, britischem Flair und einem innovativen Ansatz für narrative Freiheit. Inspiriert von realen Ereignissen wie der Windscale-Katastrophe von 1957, versetzt "Atomfall" die Spieler:innen in eine alternative Version des Englands der 1960er Jahre, die von nuklearer Verwüstung und Geheimnissen geprägt ist. In dieser Review werfen wir einen detaillierten Blick auf die verschiedenen Aspekte des Spiels und untersuchen, ob es den hohen Erwartungen gerecht wird.
Rebellion Developments, gegründet 1992 in Oxford (England), ist eines der erfolgreichsten unabhängigen Studios Großbritanniens. Bekannt wurde es vor allem durch die "Sniper Elite"-Reihe, die für ihre authentische Scharfschützenmechanik gefeiert wird. Auch die "Zombie Army"-Serie und Titel wie "Strange Brigade" zeigen Rebellions Vielseitigkeit. Mit Atomfall beweist Rebellion erneut seinen Mut - neue Wege zu gehen.
Ist euch der Windscale Brand bekannt?
Die Handlung von Atomfall spielt fünf Jahre nach einer fiktiven Version des Windscale-Feuers, einem realen nuklearen Unfall, der in dieser alternativen Zeitlinie Nordengland in eine Quarantänezone verwandelt hat.
Was ist der Windscale Brand und was geschah damals?
Am 10. Oktober 1957 kam es damals in einem britischen Kernreaktor in Windscale zu einem Brand. Dieser setzte eine Wolke mit erheblichen Mengen radioaktiven Materials frei, die sich über Großbritannien und über das europäische Festland verteilte. So viel über die reale Geschichte.
Im Spiel schlüpfen die Spieler:innen in die Rolle eines namenlosen Protagonisten, der ohne Erinnerungen in einem verlassenen Bunker aufwacht. Die zentrale Aufgabe besteht darin, das Geheimnis hinter einer mysteriösen Forschungseinrichtung der British Atomic Research Division (B.A.R.D.) zu lüften. Auf dem Weg dorthin trifft man auf verschiedene Fraktionen wie skrupellose Outlaws, gespaltene Militäreinheiten, fanatische Druiden und netten, wie auch irren Dorfbewohnern, die so tun, als sei alles normal.
Was die Geschichte besonders macht, ist das "Leads"-System. Statt klarer Questmarker und linearer Erzählung basiert die Story auf Hinweisen, die durch Gespräche, gefundene Briefe und Kassetten zusammengesetzt werden müssen. Dies verleiht dem Spiel eine detektivische Tiefe, die an "Disco Elysium" erinnert, jedoch ohne dessen narrative Dichte. Die Freiheit, selbst zu entscheiden, wem man vertraut und welche Leads man verfolgt, sorgt für Wiederspielwert, da es mehrere Enden gibt. Allerdings kann die vage Struktur auch frustrieren, besonders zu Beginn, wenn man noch nicht weiß, worauf man achten soll. Die britische Atmosphäre – mit Anspielungen auf Klassiker wie "Doctor Who" und "The Wicker Man" verleiht der Story einen einzigartigen Charme, auch wenn sie manchmal in Klischees abrutscht.
Gameplay & Steuerung
Atomfall ist ein First-Person-Survival-Action-Spiel mit RPG-Elementen. Das Gameplay dreht sich darin um Erkundung, Kampf, Crafting und Entscheidungsfreiheit. Die Quarantänezone ist in fünf miteinander verbundene Gebiete unterteilt, die frei erkundet werden können. Anstatt traditioneller Quests gibt es das bereits erwähnte Leads-System, das den Spieler:innen dazu zwingt, aktiv nach Hinweisen zu suchen. Dies kann erfrischend sein, erfordert aber Geduld und Eigeninitiative.
Der Kampf ist eine Mischung aus Nahkampf und Schusswaffen, wobei Munition knapp ist, was strategisches Denken fördert. Nahkampfwaffen wie Cricket-Schläger oder Polizeiknüppel fühlen sich solide, aber nicht besonders innovativ an. Das Schießen profitiert von Rebellions Erfahrung mit den Games von "Sniper Elite", wirkt jedoch weniger präzise und befriedigend als in deren Spielreihe. Ein interessantes Element ist das Herzfrequenz-System: Anstrengende Aktivitäten wie Sprinten oder Kämpfen erhöhen die Herzfrequenz, was Pausen erzwingt – eine clevere Mechanik, die jedoch in hektischen Momenten nerven kann.
Crafting spielt eine Rolle beim Herstellen von Waffen, Heilmitteln und Hilfsmitteln, wobei Ressourcen wie Alkoholflaschen für Molotov-Cocktails gesammelt werden müssen. Die Schwierigkeitsgrade erlauben Anpassungen an den Spielstil, von entspannt bis hardcore. Die Steuerung ist größtenteils intuitiv, aber die Menüs könnten ruhig übersichtlicher sein, und das Fehlen eines Fadenkreuzes (für Realismus) kann ungeübte Spieler:innen vor Herausforderungen stellen.
Grafik & Sound
Visuell ist das Game ein Highlight. Die Quarantänezone, inspiriert vom Lake District, beeindruckt mit üppigen Landschaften, malerischen Dörfern und einer bedrückenden Atmosphäre.
Lake District ist übrigens eine Region mit gleichnamigem Nationalpark in der nordwestenglischen Grafschaft Cumbria. Das beliebte Urlaubsziel ist bekannt für seine schmalen Gletscherseen, schroffen Berggipfel und die historische Verbindung zu berühmten englischen Dichtern und Autoren.
Die PS5-Version läuft stabil mit 60 fps und bietet eine klare Bildqualität, obwohl es keine modernen Technologien wie DLSS gibt. Details wie rote Telefonzellen, verlassene Pubs und zerfallene Steinmauern verstärken das britische Flair. Vereinzelt gibt es jedoch technische Macken wie Audio-Aussetzer oder unsaubere Texturen.
Der Soundtrack ist stimmungsvoll, aber nicht überragend. Während Kämpfe von spannender Musik untermalt werden, fehlt es an Abwechslung beim Erkunden der eigentlich recht interessanten Spielwelt. Die englische Sprachausgabe ist solide, leidet jedoch unter repetitiven Umgebungsdialogen und teils flachen Darbietungen. Der deutsche Untertitel beinhaltet leider einige, "witzige" Übersetzungsfehler.
Und wie steht es um die Soundeffekte? Diese, wie das Knirschen von Schritten oder das Heulen des Windes, tragen zur Immersion bei, könnten aber prägnanter sein.
Fazit
Atomfall ist ein ambitioniertes Experiment, das mit seinem einzigartigen Setting und der narrativen Freiheit punktet. Es ist kein "britischer Fallout", sondern eine eigenständige Erfahrung, die Erkundung und Mysteriösität über Action stellt. Während die Story und die Atmosphäre fesseln, lassen Gameplay und technische Feinheiten Raum für Verbesserungen. Für Fans von Survival-Games mit narrativen Schwerpunkt ist Atomfall ein lohnender Titel, der jedoch Geduld erfordert. Rebellion hat hier einen mutigen Schritt gewagt, der nicht perfekt, aber vielversprechend ist.
Pro
- einzigartiges Setting mit britischem Charme
- innovatives Leads-System für narrative Freiheit
- wunderschöne Grafik und Atmosphäre
- einstellbarer Schwierigkeitsgrad
- solider Wiederspielwert durch verschiedene Enden
Contra
- Kämpfe fühlen sich teils klobig und stumpf
- Struktur der Missionsaufgaben können verwirrend sein
- technische Mängel (Audio-Bugs, Texturen, ...)
- "witzige" Übersetzungsfehler im deutschen Untertitel
- Soundtrack und englische Sprachausgabe nicht herausragend
- Crafting- und Survival-Elemente sind nicht besonders tief (trotz Survival-Action-Genre)
Wertung
8.0Gut
Kaufempfehlung
75%Empfehlenswert
Getestet wurde Atomfall auf PS5 von Andreas Erber. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version1.001.000 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für Atomfall wurde uns von Marchsreiter Communications kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!