Forspoken · Test
Veröffentlicht am 14.02.2023 von Tobias Creter
Ghetto-Girl aus NYC trifft auf Fantasy
Eigentlich hatte ich mich wirklich seit dem ersten Ankündigungstrailer auf Forspoken gefreut. Das Spiel sah sehr hübsch aus und hob sich durch den starken Fokus auf Magie von dem Open World Einheitsbrei deutlich ab. Doch mit der spielbaren Demo kam die Ernüchterung. Zwar machte es Spaß die durchaus hübsche Fantasy-Welt im Parcours zu durchqueren aber storytechnisch kam wenig rüber. Bei einer Demo bleibt dann ja die Hoffnung, dass sich das mit dem fertigen Spiel noch ändert und evtl. sogar ganz bewusst so ist. Der erste Einblick in das Kampfsystem mit den verschiedenen magischen Fähigkeiten lies darauf hoffen, dass zumindest die Kämpfe spannend werden. Wie sich Forspoken nun wirklich spielt und ob ihr es euch kaufen solltet, erfahrt ihr hier in diesem Test.
Kleinkriminelle wird unfreiwillig zur Retterin der Welt
Ich werde natürlich wie immer versuchen diesen Test so spoilerfrei, wie möglich, zu halten. Bei Forspoken schlüpft der Spieler in die Rolle von Alfre "Frey" Holland, die eine schwere Kindheit hatte und auf die schiefe Bahn geraten ist. Durch einen Zufall stößt sie auf einen seltsamen magischen Armreif, der sie in eine zerfallene Fantasy-Welt teleportiert. Dort angekommen scheint es ihre einzige Option zu sein, den Bewohnern zu helfen, um dadurch wieder zurück nach New York zu kommen.
War es wirklich ein Zufall oder hat es einen Grund, dass ausgerechnet Frey nun in Athia, einem mysteriösen Kontinent in einer anderen Welt, gefangen ist? Findet es am Besten selbst heraus, wenn euch das Spiel gefällt. Aber seid gewarnt, Forspoken fängt sehr zäh an und bis man sich das erste Mal frei durch die offene Spielwelt von Athia bewegen darf, vergehen ca. 2-3 Stunden. Ständig wird man künstlich ausgebremst und für meinen Geschmack viel zu linear geführt. Das setzt sich leider auch im weiteren Verlauf noch öfter fort.
Es gibt drei Schwierigkeitsgrade zur Auswahl, so kann jeder die Spielerfahrung an die eigenen Vorlieben anpassen. Als extrem schwer würde ich Forspoken aber auch auf der höchsten Stufe nicht beschreiben. Meine Bildschirmtode waren meist die Folge der maximal chaotischen und unübersichtlichen Kämpfe, bei denen man vor lauter Magieeffekten und Explosionen einfach nichts mehr sehen konnte.
Gameplay & Steuerung
Wie ihr ja nun bereits wisst, spielt ein Armreif eine wichtige Rolle. Dieser magische goldene "Reif" – wie Frey ihn nennt – kann sprechen und davon macht er auch mehr als ausgiebig Gebrauch. Zum Glück lässt sich das in den Optionen aber auch einschränken. Die Dialoge zwischen Reif und Frey sind teilweise auch wirklich amüsant, aber leider oft einfach nur nervig bis hin zu peinlich. Aber ohne Reif geht es nunmal nicht, denn durch ihn hat Frey ihre magischen Kräfte, die sich über mehrere Fähigkeitsbäume hinweg aufleveln lassen. Das volle Arsenal an Zaubern ist durchaus groß und abwechslungsreich, schade nur, dass man viele Fähigkeiten erst sehr spät im Spiel freischaltet, sofern man nicht jeden herumliegenden Open World Krimskrams einsammelt oder die langweiligen Nebenquests abarbeitet. Und das ist durchaus wörtlich gemeint, denn es fühlt sich wie Arbeit an. Zwar bereist man eine optisch schicke Spielwelt aber die Quests sind so belanglos und repetitiv, dass dabei einfach keine Freude aufkommt. Es gibt auch wenig zu entdecken, denn das Meiste bekommt man zuvor schon als Marker auf der Karte angezeigt. Die Landschaft ist auch viel zu offen gestaltet um dort Geheimnisse zu verstecken. Was recht gut funktioniert ist das flotte Parcours-Movement, wobei da nervt, dass man nicht unendlich lange sprinten kann. Noch viel nerviger ist aber, dass Frey im Parcours zwar fast jedes Terrain mit elfengleicher Leichtigkeit meistert aber beim normalen Gehen oder Rennen an den kleinsten Kanten hängen bleibt.
Auf der Karte, die übrigens durch den Zoom bis zur 3D-Darstellung qualitativ sehr gut ist, gibt es den üblichen Open World Einheitsbrei, wie Türme, Kisten, Truhen, Fotospots und kleine, sowie große Gegneranhäufungen, Zeitchallenges uä. Eigentlich alles bringt Erfahrungspunkte und Belohnungen, die sich irgendwie nicht so richtig belohnend anfühlen. Weniger wäre wahrscheinlich mehr gewesen. Das gilt auch und besonders für die Kämpfe. Mit einer voll hochgelevelten Frey kann man ein wahres Feuerwerk an Zaubern zünden, man muss es aber eigentlich nie. Die Feinde haben immer bestimmte Zauberarten, gegen die sie Immun sind und andere für die sie besonders anfällig sind. Beides lässt sich durch Reifs Röntgenblick herausfinden. Was auf dem Papier wie eine tolle Idee klingt, wird im Spiel dann aber nicht konsequent genug umgesetzt. Zum Einen hat für mich das ständige Wechseln vom Flow einfach nicht funktioniert, weil die Tasten hierfür unglücklich gewählt wurden und zum Anderen bekommt man eigentlich fast alle Gegner auch mit jedem beliebige Zauber problemlos vernichtet, es dauert eben nur etwas länger.
Mir persönlich wären weniger gleichzeitige Gegner, die man dann auch wirklich ganz gezielt strategisch attackieren muss, wesentlich lieber gewesen als dieses wilde Durcheinander, bei dem man ständig aus der Luft oder von Hinten angegriffen wird und dadurch nur wahllos irgendwelche Zauber aneinander reiht und ausweicht.
Überall in Athia gibt es Pilgerzufluchten zum Rasten, Gegenstände fertigen und Aufleveln. Für was da ein Bett steht, um die Lebensleiste aufzufüllen hat sich mir nicht erschlossen, da man sich ja eh über Flaschen heilt, die man entweder findet oder kaufen muss. Wenn grade keine Zuflucht in der Nähe ist, kann man Alternativ auch ein Lager aufschlagen, sofern man genug Holz dabei hat. Wirklich benötigt hab ich diese Lager jedoch nie.
Gleiches gilt auch für die Upgrades, die in Form von Umhängen, Halsketten und Nagellack daher kommen. Alles fühlt sich eher wie ein kosmetischer Gegenstand an und dadurch fehlt weitgehend der Anreiz zu sammeln. Bei den Umhängen und Ketten kann man alle Attribute vollkommen beliebig austauschen, wo ist da dann die besondere Fähigkeit, für die man diesen Gegenstand in einem "Labyrinth" sammeln soll?
Und genau diese "verschlossenen Labyrinthe" werden angepriesen als optionale Orte, die zwar besonderen Loot bieten aber auch viele Gegner. Wer dabei jetzt an stark verzweigte Dungeons denkt, in denen man sich verlaufen kann und wo hinter jeder Ecke eine tödliche Gefahr lauert, dem dürfte eine bittere Enttäuschung bevorstehen. Wie man bei diesen weitgehend linearen und immer gleich aussehenden Schlauchlevels auf die Bezeichnung "Labyrinth" kam, ist mir absolut schleierhaft.
Open World üblich gibt es massenhaft Nebenaufgaben, die hier Abstecher heißen. Diese sind teilweise nur in bestimmten Phasen der Handlung verfügbar und das Spiel weist darauf während der Story ständig mit Warnungen hin. Dadurch bekommt man immer das Gefühl vermittelt, dass es tendenziell eher Falsch ist weiter zu gehen und dass man dann etwas verpasst. Zu den Abstechern gehören beispielsweise Nebenmissionen, wie Schafe füttern, Katzen verfolgen, Fetch-Quests, Zauberkunst-Herausforderungen und andere eher unspannende Dinge. Ein Tanz-Battle mit Quicktime-Events gehört da sogar schon eher zu den "Highlights".
Für meinen Geschmack rennt man viel zu oft völlig sinnlos in der langweiligen Stadt rum und wird dabei noch unnötig ausgebremst, um sich belanglose Dialoge anzuhören. Warum kann Frey nicht reden und laufen gleichzeitig? Besonders nervig sind die Dialoge mit Reif, bei denen Frey ihren Arm seltsam anhebt, um mit ihm zu sprechen. Im Rest des Spiels plaudern die beiden doch auch ständig ohne diese seltsame Geste.
Die Steuerung ist zwar einfach aber irgendwie nicht gut durchdacht. Man wählt mit den oberen Schultertasten jeweils einen Zauber aus einem runden Menü aus, den man dann mit den Triggern ausführt. Um die Zauberart zu Wechseln kann man entweder L1+R1 halten, um dann mit dem rechten Stick zwischen den bis zu vier magischen Richtungen zu wählen oder per D-Pad durchschalten. Beides bremst den Spielfluss aus und fühlte sich für mich dadurch einfach nicht gut an. Die restliche Tastenbelegung ist ok und funktionierte auch meist problemlos. Frey bleibt nur leider oft an kleinen Kanten hängen. Die Kamera lässt sich mit dem rechten Stick drehen oder auf einen Gegner einrasten. Letzteres bringt nur wenig, wenn einfach zu viele Feinde zeitgleich angreifen. Fast alle Tasten lassen sich frei belegen, es gibt aber keine alternativen Vorgaben aus denen man zum schnellen Durchprobieren wählen kann.
Grafik & Sound
Aus grafischer Sicht setzt Forspoken zwar keine neue Meilensteine aber es sieht meist gut aus. Hier und da gibts mal matschige Texturen oder Geometrie wird nicht schnell genug geladen und NPCs erscheinen im hinteren Drittel des Bildschirms auf magische Weise aber das ist alles nicht wirklich störend. Die Menüs und Einblendungen sind sehr stylisch und mit tollen Übergängen animiert. Frey ist sehr detailliert und bewegt sich beim Parcours extrem flüssig, wenn auch manchmal etwas unvorhersehbar. Das gilt leider nicht für alle Charaktere, da schwankt die Qualität stark. Auch beim Gegnerdesign und der generellen Vielfalt wurde gespart. Zu oft trifft man die immer gleichen Gegner, die auch noch merkwürdig Texturiert sind. Das soll wohl absichtlich so sein, um verseuchte Welt zu representieren, sieht aber einfach nicht gut aus. Besonders die Boss-Fights leiden stark unter dieser Optik.
Positiv erwähnenswert ist hingegen die Karte, die sich beim Reinzoomen von 2D in 3D ändert und dann auch frei drehbar ist. Dadurch lässt sich sehr gut das Terrain erkennen, also Berge und Täler, Mauern oä.
Ein epischer Soundtrack begleitet Frey auf ihrer Reise und sämtliche Sounds und Effekte sind wuchtig. Die deutsche Synchronisation ist bis auf wenige Ausnahme völlig ok, nur leider oft nicht besonders lippensynchron. Die Tonspuren sind vereinzelt schlecht abgemischt, so dass man Dialoge nicht gut verstehen kann. Das lässt sich aber in den Optionen zumindest anpassen.
Fazit
Das Gute vorweg: Forspoken ist keine Vollkatastrophe. Zugegeben, der Start ist etwas zäh, sehr linear und man wird viel zu stark bevormundet. Erst nach ca. 2 Stunden darf man endlich frei herumlaufen und Athia erkunden. Dabei ist die Spielwelt schön anzusehen und man wird von einem stimmungsvollen Soundtrack begleitet. Ich habe neben der reinen Story im Test weitere 12 Stunden in der Open World verbracht und durchaus Spaß daran gehabt die vielen verschiedenen Zauber zu nutzen. Dabei habe ich immer darauf gehofft, dass ich vielleicht doch noch mal von den Entwicklern überrascht werde, leider vergebens.
Es gibt zu wenig unterschiedliche Gegnertypen und diese können meist mit beliebigen Zaubern bekämpft werden. Die Kämpfe fühlen sich immer relativ gleich an, die Quests sind langweilig und sogar die vielversprechend klingenden optionalen Labyrinthe könnten kaum linearer sein. Trotzdem kann man durchaus eine gute Zeit mit Frey haben, wenn man einfach nur entspannt rum rennt, die total überladene Karte nicht so oft nutzt und statt dessen versucht die Welt auf eigene Faust zu erkunden.
Leider ist Forspoken in meinen Augen eine Aneinanderreihung von schlechten Game-Design-Entscheidungen und hätte wesentlich mehr Potential gehabt. Viele Spielmechaniken wurden nur schlecht abgekupfert oder einfach nicht konsequent genug durchgezogen, um Spannung zu erzeugen. Dabei ist die Basis eigentlich sehr solide, sowohl technisch, als auch vom Gameplay. Trotzdem beherrscht vor allem Langeweile die hübsche Open World. Es gab auf der PlayStation 5 keine Abstürze und im Performance Modus läuft das Spiel auch flüssig und stabil. Ladezeiten sind fast nicht vorhanden, Schnellreisen verdienen diese Bezeichnung auch. Die Zaubereffekte sind zwar nicht mindblowing aber durchaus schick anzusehen und werden von wuchtigen Effekten unterstützt. Der Soundtrack passt gut zum Setting und hat mir durchweg gut gefallen.
Sicher ist Frey's Ausdrucksweise Geschmackssache, wobei ich hier sogar zu den wenigen Testern gehören dürfte, die sie eigentlich ganz sympathisch und einigermaßen glaubwürdig fanden. Bei Deadpool wären die exakt gleichen Sprüche sicher nicht auf so viel Gegenwind gestoßen. Man sollte insbesondere die Neckereien zwischen Reif und Frey eben einfach nicht so ernst nehmen.
Für die Kontrollfreaks unter euch ist auch bestens vorgesorgt, denn es gibt massenhaft Optionen und Einstellungen. Empfehlenswert für ein gechilltes Endgame sind hier die Automatik für Ausweichen und Zauberwechsel, sowie die Anpassung der Ausdauer. Wer gerne 100% der Karte erledigen will, wird diese Optionen zu schätzen wissen.
Angehende Möchtegern-Zauberer mit dem Wunsch nach einer richtig guten Story und ideenreichen Spielwelt stecken ihr Geld wohl aktuell besser in Hogwarts Legacy. Wer mit Harry Potter nichts anfangen kann und gerne Fleißaufgaben in Open Worlds erledigt, für den könnte Forspoken genau das Richtige sein. Ihr bekommt eine ca. 15 Stunden lange Story, die einigermaßen unterhaltsam ist und sich durch Nebenaufgaben gefühlt nahezu beliebig ausweiten lässt. Meine Empfehlung wäre hier tatsächlich, sich auf viele der Nebenquests und Sammelaufgaben möglichst früh einzulassen, um ein breit gefächertes Zauberarsenal schon während der Kampagne nutzen zu können. Auf Grund des aktuell noch sehr hohen Preises würde ich allerdings empfehlen ein Angebot abzuwarten.
Pro
- solides Core Gameplay
- grafisch meist sehr schön
- schicke Magieeffekte
- stimmungsvoller Soundtrack
- wuchtige Soundeffekte
- umfangreicher Fotomodus
- sehr gute zoombare Karte
Contra
- sehr linearer und zäher Anfang
- langweilige Open World
- umständliche Steuerung
- massenhaft generische Quests
- zu wenig Gegnervielfalt
- viele gute Ideen zu inkonsequent umgesetzt
Wertung
7.0 Gut
Kaufempfehlung
40%Angebot abwarten
Getestet wurde Forspoken auf PS5 von Tobias Creter. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version 1.002.000 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für Forspoken wurde uns von Sony Interactive Entertainment Europe kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!