Review

Twin Mirror · Test

Veröffentlicht am 02.12.2020 von Andreas Erber

Titelbild von Twin Mirror (PC, PS4, Xbox One)

Intro

Bandai Namco Entertainment präsentiert den neuen Psycho-Thriller Twin Mirror von den Entwicklern des Dontnod Entertainment Studios. Das französische Team, mit Sitz in Paris, hat bereits bekannte Spiele wie Vampyr, Life is Strange oder Tell me Why auf den Markt gebracht und fuhren damit Erfolge ein. Mit Twin Mirrors kommen vor allem Detektive auf ihre Kosten. Ähnlichkeiten zu L.A. Noir hinsichtlich der Aufdeckungsarbeit als auch zu Heavy Rain auf Grund des eher trägen Spielverlaufs sind durchaus gegeben. Doch kann sich das Spiel mit ihren Triple-A Pendants messen? Vorab verraten: "Jein!"

Screenshot von Twin Mirror

Kurze inhaltliche Einleitung

In Twin Mirror verkörpern Spieler:innen den smarten Typ namens Sam Higgs, welcher seine Heimatstadt Basswood schon vor Jahren hinter sich gelassen hatte. Sams Freund war jedoch plötzlich durch einen Autounfall verstorben, wodurch er nach Basswood zurückkehrt, um sich von ihm zu verabschieden. Schon auf der Hinfahrt kommen Gefühle aus Erinnerungen hervor. Glück, Liebe, aber auch Trauer sind dabei was den Protagonisten in eine Parallelwelt verfallen lässt. Diese Gedankenpaläste bestehen aus hellen Kristallumrandungen und scheinen irgendwo im wolkigen Himmelszelt zu sein. Verschwommene Gegenstände und verzerrte Kulissen zieren diese Welten, die mit hallenden Stimmen und Geräuschen beinahe schon unheimlich rüberkommen. Doch dieser Ort schafft Antworten! So können andere Charaktere angesprochen werden, um ein wenig mehr über die Geheimnisse und Wahrheiten rund um Basswood zu erfahren. Und Aufdecken kann der ehemalige Enthüllungsjournalist besonders gut.

Damals hat sein Enthüllungsartikel zur Schließung einer örtlichen Miene geführt, was vielen den Job gekostet hatte. Ganz klar, dass das Willkommenskomitee nicht Sam nicht gerade mit offenen Armen empfängt. Er stellt sich auch die Frage, ob der Autounfall seines Freundes tatsächlich ohne jegliches Fremdverschulden passierte.
Sam Higgs muss sich seiner Vergangenheit stellen und Entscheidungen treffen. Doch jede Entscheidung trägt ihre Konsequenzen mit sich.

Soll er alte Freundschaften wiederaufleben lassen, um mehr zu den Hintergründen zu erfahren oder all seine geistigen Fähigkeiten einsetzen? Wem kann Sam nach all den Jahren noch vertrauen, wen man nicht mal sicher ist, ob man sich selbst vertrauen kann? Seine Ex-Freundin Anna steht ihm, trotz anfänglicher Zweifel bei. Doch verbirgt sie womöglich ein Geheimnis?
Zum Glück sind Spieler:innen nicht auf sich allein gestellt. Ein zweites Ich von Sam, welches als "Er" benannt wird und ihm total ähnlichsieht, gibt mehr oder weniger sinnvolle Ratschläge. Entscheidet selbst, ob seine Tipps zum Erfolg führen oder "Er" uns nur in die Irre leiten will.

Screenshot von Twin Mirror

Gameplay & Steuerung

Der Prolog des Spiels wirkt nüchtern, denn das langsame umherschlendern an einem Rastplatz kurz vor Basswood in der Third-Persion Ansicht wirkt recht ermüdend. Zwischen den Bäumen bis hin zum hochgelegenen Aussichtspunkt von Basswood gibt es diverse Objekte und Gegenstände die mit der Dreieck-Taste begutachtet werden können. Das war's fürs Erste aber auch schon. Teilweise gibt es in Deutsch übersetzte Texte, die stellenweise wichtige Inhalte enthalten können. Die Vorgänge dieser Untersuchungen geschehen allerdings recht langsam, was schnell an Heavy Rain erinnern lässt. Doch plötzlich entsteht aus Higgs Erinnerungen ein Sprung in eine vergangene Parallelwelt und die Geschichte wird mit jedem Part interessanter und spannender.

Die meiste Zeit ist man damit beschäftigt eines der 16 Szenen der Stadt zu erkunden. Zuerst müssen an einem Tatort alle Hinweise gefunden werden. Mit alle meinen es die Entwickler wortwörtlich! Denn erst, wenn die letzten Hinweise gefunden wurden, setzt das Spiel fort. Das nervt mit der Zeit ziemlich stark und raubt den Spieler:innen den nötigen Freiraum. Begangene Fehler, wie etwas übersehen zu haben, können somit komplett ausgeschlossenen werden. Zudem zeigen Symbole den Status der offenen Hinweise an.
Die Bewohner der Stadt gilt es in einen Dialog zu verwickeln, um an mehr Informationen zu gelangen. Dort gilt es die passenden Fragen und Antworten zu treffen. Entscheidungen haben zwar einen Einfluss auf die Beziehungen zu den Menschen, doch die Story selbst verändert sich dadurch nicht grundlegend. Lediglich zum Schluss gibt es verschiedene Enden zu bestaunen.

Doch zurück zum Tatort. Besonders cool ist das Rekonstruieren von Schlüsselereignissen. So können Geschehnisse im Gedankenpalast nachgebildet werden und an verschiedenen Punkten verändert werden. Der visuelle Film wird dabei in der Vorstellungskraft von Higgs ständig wiederholt. Erst wenn alle Puzzleteile richtig zusammengesetzt wurden, kann mit der R1-Taste das tatsächlich passierte Video vollständig abgespielt werden. Auch hier sind Fehlversuche kein Beinbruch und lassen den Spieler:innen nur eine mögliche Lösung zu. Auch hier hätten verschiedene Möglichkeiten zu unterschiedlichen Story-Verläufen beitragen können. So folgt man stets brav dem vorgegebenen Drehbuch der Entwickler. Das eigentliche Gameplay-Element im Spiel wird einfach viel zu wenig ausgeschöpft. In manchen Erinnerungen gibt es zumindest diverse Herausforderungen in Form von Mini-Games. Entweder muss eine gewisse Person aus einer Menschenmenge gefunden werden oder die Spieler:innen müssen vor einer dunklen Gestalt flüchten und den riesigen Spiegeln, die sich in den Weg stellen, ausweichen.

Die Steuerung ist recht einfach zu verstehen und geht trotz der Trägheit bei der Fortbewegung gut von der Hand. Etwas fummelig gestaltet sich das Anvisieren der Aktionen. Sobald die Symbole nicht mehr sichtbar sind müssen erst ein paar Schritte zurück unternommen werden, um die vorhandenen Aktionen anwählen zu können. Meist werden die Dreieck- und X-Taste verwendet um Gegenstände analysieren zu können. Um ein sich ein wenig schneller bewegen zu können, Hilft uns dabei die R2-Taste. Ansonsten gibt noch Standartfunktionen, wie das Ausrichten der Kamera oder dem überspringen der Videosequenzen. Letzteres, per „Steuerkreuz rechts“, klappt erst beim zweiten Durchgang des gesamten Spiels.

Screenshot von Twin Mirror

Grafik & Sound

Technisch präsentiert sich Twin Mirror recht solide und kann mit durchaus hübschen Umgebungen überzeugen. An manchen Stellen kommen allerdings matschige oder gänzlich unscharfe Objekte zum Vorschein. So ist beispielsweise in einer Videosequenz das eingeschnitzte Herz an einem Baumstamm überhaupt nicht zu erkennen. Erst aus einem anderen Kamerablickwinkel wird es als solches wahrgenommen. Diese und weitere Grafik-Bugs findet man über die Spielzeit hinweg leider immer wieder. Dies tut der spannenden Geschichte jedoch keinen Abbruch.
Schade ist auch das Fehlen eines Next-Gen Upgrades, welches die Grafikqualität vielleicht nicht gerade verbessert, aber dafür die Stabilität und Framerate erhöht hätte. Auch die Gesichtsmimik der Charaktere hätten, vor allem für solch ein emotionales Spiel, noch besser ausfallen können.

Eine deutsche Sprachausgabe sucht man ebenfalls vergebens und die englische Sprachausgabe ist leider auch ganz so perfekt. Teilweise gibt es im Spiel viel zu leise Tonspuren, die auch die Audio-Justierungen in den Optionen nicht wett machen können.
Soundtrack und Nebengeräusche sind stimmig, aber auch nicht herausragend. Manche Klang-Effekte hinterlassen in den Szenen einen psychologisch schrägen Eindruck mit Gänsehautgarantie.

Screenshot von Twin Mirror

Fazit

Twin Mirror ist ein psychologischer Thriller mit einer blühenden Fantasie. Es geht um die Vergangenheit, Beziehungen und mögliche Verbrechen, die es von den Spieler:innen zu verarbeiten gilt. Die Entwickler haben im Spiel viele Spielmechaniken und Erfahrungen von "Life is Strange" mit einbringen können, was mit Sicherheit in der Entstehung des Spiels ein großer Vorteil war. Trotzdem haben sich ein paar technische Schwächen eingeschlichen, die allerdings im Spielverlauf kaum richtig stören. Die Story ist der wichtigste Part im Spiel und diese kann durchaus überzeugen! Das Gameplay hinkt durch die träge Fortbewegung etwas hinter her, dafür ist die Steuerung selbst für Spieler:innen der ersten Stunde leicht zu verstehen. In Sachen Grafik zeigt sich die Technik sehr solide. Bis auf ein paar unscharfe Objekte und verwaschenen Texturen macht die Kulisse einen guten Eindruck. West Virginia wurde gut eingefangen, etwas weniger gut geglückt ist die ungleichmäßige Sprachausgabe, die zudem nur in englischer Sprache vorzufinden ist. Soundtrack und Nebengeräusche machen einen durchschnittlichen Eindruck. Wer Aufdeckungsspiele wie L.A. Noir, Life is Strange oder Tell me Why mag, wird durchaus einen Auflug nach Basswood wagen. Alle unsicheren Interessenten könnten das eine oder andere Angebot abwarten.

Pro

  • spannende Story
  • charmante Charaktere
  • solide Gameplay-Technik
  • stimmige Kulissen mit vielen Details
  • interessante Nachforschungen im Gedankenpalast
  • stimmige Soundtracks und Effekte mit Gänsehautgarantie

Contra

  • stellenweise verwaschene Texturen
  • Mimik im Gesichtsbereich sind relativ schwach und nur auf ca. 4 Zonen begrenzt
  • Entscheidungen lenken die Story nur beziehungstechnisch
  • leider keine deutsche Sprachausgabe
  • Ton-Abmischung wirkt in manchen Dialogen unausgeglichen

Wertung

Testergebnis: 70%

7.0 Gut

Kaufempfehlung

50% Kaufempfehlung

50%Angebot abwarten

Getestet wurde Twin Mirror auf PS4 von Andreas Erber. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version 1.01 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für Twin Mirror wurde uns von Bandai Namco Entertainment Europe kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!