Review

Gran Turismo 7 · Test

Veröffentlicht am 14.03.2022 von Tobias Creter

Titelbild von Gran Turismo 7 (PS4, PS5)

In diesem Rennspiel stecken 25 Jahre Erfahrung!

Mit Gran Turismo 7 ist endlich der neuste Teil der legendären Rennspiel-Serie erschienen. Das Spiel ist aber eigentlich der achte Teil der PlayStation exklusiven Serie, denn im direkten Vorgänger GT Sport fehlte die Versionsnummer. GT Sport hatte auch einen anderen Schwerpunkt, denn es fokussierte sich weitgehend auf den Online-Modus und echten Rennsport. Gran Turismo 7 geht nun zurück zu den Wurzeln, die bis 1997 auf die PlayStation 1 reichen und bietet wieder die volle Gran Turismo Erfahrung mit massig Inhalten – insbesondere für Einzelspieler. Wie gut das nach dem bei eingefleischten Fans eher nicht so beliebten GT Sport gelungen ist, erfahrt ihr hier im Test. Wir haben GT7 für euch intensiv unter die Lupe genommen.

Screenshot von Gran Turismo 7

Eine Liebeserklärung ans Automobil und den Rennsport

In Gran Turismo 7 findet man sich direkt beim ersten Start buchstäblich hinter dem Lenkrad eines 356 A / 1500 GS GT Carrera Speedster aus dem Jahre 1956 wieder und fährt die erste Music Rally. In diesem neuen Spielmodus, der eine Art Zeitattacke ist, bei dem man genau ein Lied lang Zeit hat, eine möglichst weite Strecke zurück zu legen. Mir hat das als Einstieg ins Spiel sehr gut gefallen, weil es optisch und musikalisch sehr schön inszeniert ist. Nach dem Rennen beginnt das eigentliche Spiel. Man kann aus drei Schwierigkeitsgraden wählen, die nicht nur das Können der KI-Gegner beeinflussen, sondern auch das jeweilige Preisgeld. Dann empfängt GT7 den Spieler noch mal offizell mit einer langen und stimmungsvollen Intro, die schon in den ersten Minuten klar macht, dass dieses Spiel von Autoliebhabern für Autoliebhaber ist. Es wird die komplette Entwicklung im Automobilbereich von den Anfängen bis heute – oder vom Oldtimer bis zum Concept Car – gezeigt.

Das Kernstück von GT7 ist eine Karte von der aus man verschiedene Orte besuchen kann. Allerdings muss man das Meiste erst noch freischalten. Diverse Avatare nehmen den Spieler an die Hand und führen ihn mit Dialogen in Textform durch die ersten Schritte. Also ab zum Gebrauchtwarenhändler und rein ins erste Auto. Die Fahrzeuge können mit In-Game Credits gekauft werden und sind durch Leistungspunkte (LP) klassifiziert. Vereinfacht gesagt sieht man dadurch wie schnell ein Auto ist, unter Berücksichtigung aller Parameter, wie PS, Gewicht, Bereifung uvm. Da man am Anfang nur 20.000 Credits hat, kann man vorerst nur aus drei japanischen Kleinwagen wählen. Ein weiterer wichtiger Punkt auf der Karte ist das Café, wo sich die umfangreiche Kampagne wiederfindet. Dort bekommt man wechselnde Aufgaben durch sogenannte Menübücher, die nach und nach neue Strecken, Autos und Orte auf der Karte freischalten. Das ist vielleicht für viele auch schon einer der größten Kritikpunkte, man muss wirklich fast alles erst mühsam und über viele Stunden freispielen. Leider ist die Karriere anfangs unfassbar träge und langweilig. Für mein Empfinden hat sie sogar erst ab der europäischen Meisterschaft (Menübuch 25) richtig Fahrt aufgenommen und lieferte dann spannende Rennen in hochmotorisierten Autos. Zwischendurch wird man noch dazu gezwungen die jeweilgen Lizenzen für die Teilnahme zu erwerben aber das ist für Gran Turismo ja nichts Neues. Aber auch abseits der Kampagne gibt es massig zu tun, wenn man die weiteren Spielmodi erstmal freigeschaltet hat. Neben Arcade, Driftrennen, Zeitrennen und benutzerdefinierten Rennen gibt es für Einzelspieler auch wieder massig Herausforderungen, wie Überholen, Slalom oder Spritspar-Challenges. Außerdem gibt es auch wieder die aus GT Sport bekannte Streckenerfahrung, bei der man die verschiedenen Sektoren der Strecke besser kennenlernen kann. Hier bekommt man auch wertvolle Tipps, um ein besserer Rennfahrer zu werden. Und auch der Multiplayer kommt nicht zu kurz. Der enthaltene Sport-Modus und Online-Multiplayer ist im Prinzip ein technisch aufpoliertes GT Sport, das in GT7 integriert wurde. Zudem gibt es auch einen Splitscreen Modus für zwei Spieler.

Screenshot von Gran Turismo 7

Gameplay & Steuerung

Die Kampagne bietet das typische Gran Turismo Gameplay. Man erhält oder kauft ein Auto, kauft und montiert Tuning-Teile, um es an die Rennanforderungen anzupassen und fährt dann das Rennen gegen eine variierende Anzahl von Gegnern. Üblicherweise gibt es einen fliegenden Start, bei dem man als Letzter ins Rennen einsteigt und sich dann bis ganz nach vorne durchkämpfen muss. Auf Grund der etwas willkürlich wirkenden künstlichen Intelligenz der Gegner gelingt das unterschiedlich gut. Die hintere Hälfte des Teilnehmerfeldes ist eher Kanonenfutter, das oft sehr unvorhersehbare Manöver fährt. Die ersten 3-5 Autos hingegen wirken manchmal etwas overpowered, zumal man je nach Rennen auch erstmal bis zu 45 Sekunden Vorsprung aufholen muss. Was auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad noch gut machbar ist, stellt auf Schwer schon eine echte Herausforderung dar. Neben den vielen detailgenau nachempfundenen Rennstrecken gibt es auch wieder fiktive Strecken unter den auch einige beliebte Fan-Favorites sind. Rallye und Rennkart sind ebenfalls enthalten. Leider fehlt eine richtige Kartstrecke, in dem Punkt ist Project Cars 2 besser ausgestattet.

Es ist dem Spieler dabei selbst überlassen, ob er Gran Turismo 7 eher als Arcade-Rennspiel oder echte Rennsimulation nutzt. Vielfältige Einstellmöglichkeiten sorgen dafür, dass jeder sich sein eigenes Spielerlebnis schaffen kann, das zum jeweiligen Fahrkönnen passt. Dank der vielen optionalen Fahrhilfen und drei Schwierigkeitsgraden ist hier fast alles möglich. Nur wenn ihr absolute Hardcore Simulationsfans seid, bietet Assetto Corsa Competizione noch mehr Realismus, wie Reifentemperatur und Gummiabrieb.

Gesteuert wird wahlweise mit dem Dual Sense Controller (Dual Shock auf PS4) oder einem der zahlreichen unterstützten Lenkräder. Ich hätte nie gedacht, dass ich GT7 trotz vorhandenem Lenkrad so gerne mit dem Controller spielen würde. Der Dual Sense arbeitet aber derart präzise und gibt ein so geniales haptisches Feedback durch die sehr feine Vibration und die adaptiven Trigger, dass ich nun nicht immer den Rennsitz vor den TV ziehen muss, wenn ich abends nur mal ein paar Runden drehen möchte. Es ist wirklich kein Vergleich zum Dual Shock, denn nun spürt sehr deutlich wenn man im Grenzbereich unterwegs ist und die Räder anfangen die Bodenhaftung zu verlieren. Natürlich ist die Immersion mit einem Lenkrad nochmal ein anderes Level aber Spaß und gute Fahrzeugkontrolle hat man definitiv auch mit dem Controller. Die Steuerung lässt sich in beiden Fällen an die eigenen Vorlieben anpassen, alle Tasten sind nahezu frei belegbar. Warum man manche Einstellungen, wie z.B. die Starke des Triggereffekts, nicht während eines Rennens ändern kann wissen aber wohl nur die Entwickler.

Screenshot von Gran Turismo 7

Grafik & Sound

Grafisch kann Gran Turismo 7 dank der enormen Power der PS5 nochmal eine deutliche Steigerung des Detailsgrades bei absolut flüssigen 60 fps erreichen. Ihr könnt übrigens völlig gefahrlos Ray Tracing aktivieren, da es keinen Einfluss auf die Rennen hat. Aber dadurch sehen die Autos in Menüs und Wiederholung noch einen Tick realistischer aus. Schatten werden in Echtzeit berechnet, was in Einzelfällen noch nicht ganz rund läuft. Je nach Lichtverhältnissen und Anzahl an Fahrzeugen auf der Strecke gibt es auch mal aufpoppende Objekte oder Schatten in weiterer Entfernung. Wirklich störend empfand ich das aber nie und vielleicht kann der Entwickler hier auch mit Updates noch nachbessern. Abgesehen davon sieht GT7 einfach unfassbar gut aus. Insbesondere bei tief stehender Sonne fährt man oft durch eine unglaublich schöne Kulisse. Das neue dynamische Wetter sorgt für Abwechslung und erfordert erhöhte Vorsicht, denn es beeinträchtigt nicht nur die Sicht, sondern hat auch echte Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Die Regentropfen kommen optisch leider aber bei Weitem nicht an das ran, was Drive Club schon vor über 7 Jahren abgeliefert hat. Soundtechnisch hat mich Gran Turismo 7 positiv überrascht. Die mächtige Tempest Engine überzeugt mit 3D Sound in bisher nicht gekannter Qualität. Spätestens bei den echten Rennautos und Supersportlern ist die Geräuschkulisse ein Fest für die Ohren. Hier hat GT7 zu meinem bisherigen Genrefavoriten Assetto Corsa Competizione mindestens aufgeholt, wenn nicht sogar teilweise überholt. Die Musik hinterließ bei mir einen gemischten Eindruck. Es sind wirklich tolle Songs / Remixes dabei aber auch viel eher nerviges Geklimper. Da ich die Musik aber nur in den Wiederholungen aktiviert habe, ist mir das egal. Unverständlich ist, dass man im laufenden Rennen keine Möglichkeit hat auf die Soundeinstellungen zuzugreifen.

Screenshot von Gran Turismo 7

Nervige kleine Kritikpunkte im Detail

Roulette Tickets
Wo man bei GT Sport noch immer garantiert einen von drei zufälligen Wagen gratis bekommen hat, erhält man jetzt Roulette Tickets, die nichts anderes sind als ein Lootbox System. Während meines gesamten Testzeitraums habe ich dabei ein einziges Mal ein Auto erhalten. Meist nur 5.000 bis 10.000 Credits oder Tuningteile für Fahrzeuge, die ich noch nicht mal besitze. Epic Fail!

Autos können nicht verkauft werden
Fahrzeuge, die man doppelt hat, kann man zwar verwerfen aber man bekommt dafür keine Credits zurück. Hier wäre ein echter Gebrauchtwagenmarkt, in dem man mit anderen Spielern handeln kann, eine wirklich tolle Funktion gewesen. Virtuelle Autos zu kaufen, selbst zu tunen und danach gewinnbringend zu verkaufen hätte sicher vielen Spieler eine Menge Spaß gemacht..

Umständliche Menüführung
Nur ein Beispiel von Vielen: Man geht von der Karte über die Weltrennen in ein Rennen, sieht dort die Fahrzeuganforderungen, muss zurück über die Weltkarte zum Tuner, evtl. vorher sogar noch das Fahrzeug wechseln. Dort Kauft man entsprechende Teile und kann dann das Rennen starten. Das sind ohne Auswahl und Kauf der Tuningparts oder Fahrerwechsel schon ganze 14 Klicks. Ist das während der jahrelangen Entwicklung keinem einzigen Menschen aufgefallen, dass das völlig idiotisch ist? Dabei wäre es mit ein paar Shotcuts problemlos möglich überall direkt hinzuwechseln, da die meisten Tasten im Menü bisher ungenutzt sind.

Tuning
Warum zur Hölle muss man jedes Tuning-Teil immer erst anklicken, um zu sehen, welchen Einfluss es auf die Fahrzeugattribute hat? Die Attribute werden doch beim Tuner permanent rechts angezeigt. Es gibt auch keine Möglichkeit ein Teil einfach nur zu kaufen, die Teile werden immer sofort montiert. Wenn ihr also beispielsweise zusätzlich zu den bereits montierten Rennreifen noch einen Satz Regenreifen kauft, für den Fall, dass ihr während einer Meisterschaft zwischendurch mal schlechtes Wetter habt, dann werden diese immer montiert und man muss wieder umständlich in die Einstellungen (s.o.) um das Rückgängig zu machen.

Pflichfelder bei Lackierungen uä.
Wenn man Autos optisch anpasst, dann muss man immer eine Bezeichnung manuell eingeben, auch wenn man diese nur für sich speichert. Wenn man online teilen möchte kommt noch ein zusätzliches Beschreibungsfeld hinzu, das ausgefüllt werden muss. Das ist einfach nur nervig und völlig unnötig, da man ohnehin ein Thumbnail des Wagens sieht, wenn man aus erstellten Lackierungen auswählt.

Screenshot von Gran Turismo 7

Fazit

Wow! Gran Turismo 7 feiert pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum sein Comeback. Grafisch ist es ohne Zweifel das aktuell beste Rennspiel, das ihr auf der PlayStation 5 kaufen könnt. Auch der Umfang ist diesmal echt enorm und so bekommt ihr hier auch das beste Gesamtpaket im Genre. GT Sport wirkt nun fast wie eine Beta oder Early Access Version, mit der Polyphony Digital vorab einige Features für das geplante große Gesamtpaket über einen langen Zeitraum getestet hat. Es ist die konsequente Weiterentwicklung und Anpassung an die neuen technischen Möglichkeiten der PS5. Mit 4K Auflösung, flüssigen 60 fps, optionalem Ray Tracing, 3D Sound und der extrem guten Unterstützung des Dual Sense Controllers (oder wahlweise aller gängigen Lenkräder) ist GT7 bereit, um uns über die gesamte Konsolengeneration zu begleiten.

Hoffen wir mal, dass hier der fortlaufende Support durch Updates mindestens genau so gut wird, wie bei GT Sport. Auch wenn es noch kleine Probleme und einige unverständliche Designentscheidungen zu bemängeln gibt, zieht Gran Turismo 7 als Gesamtpaket für Autoliebhaber an allen anderen Rennspielen vorbei und landet auf der Pole Position. Mit aktuell 34 Strecken mit insgesamt 97 Variationen, 424 Autos, unzähligen Spielmodi und Aufgaben, umfassendem Tuning und den vielen Hintergrundinformationen bekommt man sehr viel Gegenwert fürs Geld. Die Autos sind hier ganz klar die Hauptdarsteller und werden gekonnt und mit extrem viel Liebe zum Detail inszeniert. Auch kleine Eastereggs, wie zum Beispiel ein Fahrer namens E. Brown in einem DeLorean sind bemerkenswert. Bei der teilweise sehr umständlichen Menüführung wird hoffentlich im Laufe der Zeit noch ein wenig nachgebessert. Hier würden winzig kleine Änderungen einen enormen Zugewinn von Bedienkomfort bringen.

Pro

  • riesiges Gesamtpaket für Autoliebhaber
  • zur Zeit beste Grafik im Genre
  • knackige und authentische Sounds
  • perfekte Dual Sense Unterstützung
  • große und gute Streckenvielfalt
  • dynamische Tageszeit und Wetterbedingungen
  • umfangreicher Fotomodus (Scapes)
  • wunderschöne Rennwiederholungen

Contra

  • unnötig komplizierte Menüführung
  • anfangs sehr träge Kampagne
  • man muss nahezu alles zuerst freischalten
  • kleine technische Probleme
  • Fahrzeugauswahl etwas enttäuschend
  • Roulette Tickets (Lootboxen)
  • nur minimale optische Schäden
  • teilweise merkwürdige Gegner KI

Wertung

Testergebnis: 90%

9.0 Sehr gut

Kaufempfehlung

100% Kaufempfehlung

100%Absoluter Pflichtkauf

Getestet wurde Gran Turismo 7 auf PS5 von Tobias Creter. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version 1.050.000 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für Gran Turismo 7 wurde uns von Sony Interactive Entertainment Europe kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!