Review

Horizon: Call of the Mountain · Test

Veröffentlicht am 16.03.2023 von Tobias Creter

Titelbild von Horizon: Call of the Mountain (PS5)

Echtes Vorzeigespiel oder nur eine Tech-Demo?

Horizon: Call of the Mountain dürfte wohl eines der vielversprechendsten Spiele für SONY's neue PlayStation VR2 sein. Die Trailer, die man vorab zu sehen bekam sahen wirklich beeindruckend aus. Doch kitzelt das Game wirklich schon alles aus der neuen Hardware heraus, was möglich ist und ist der heftige Preis von 70€ für ein VR-Spiel mit relativ überschaubarem Umfang gerechtfertigt? Wir haben uns Horizon genaustens für euch angesehen und ausgiebig getestet.

Screenshot von Horizon: Call of the Mountain

Horizon ohne Aloy – Kann das funktionieren?

Im neuen VR-Ableger Horizon: Call of the Mountain schlüpft man zum ersten Mal nicht in die liebgewonnene Rolle von Aloy. Stattdessen spielt man einen völlig Unbekannten, den ehemaligen Schatten-Carja Ryas, der bereits in seiner Jugend zum Meister-Kletterer aufstieg und zudem geübt im Umgang mit Pfeil und Bogen ist. Für alle, die nicht so tief drin sind: Die Carja sind ein Volk in der Horizon-Serie, die etwas fortschrittlicher sind als die anderen Stämme. Sie werden vom Sonnenkönig regiert und ihre Hauptstadt ist Meridian. Aber zurück zu Ryas, der zu Beginn gefesselt auf einem Kajak sitzt und genau dort startet auch eure Reise. Den Rest dürft ihr wie immer gerne selbst erleben, ich erspare euch jegliche Story Spoiler. Nur soviel seit gesagt, die Story ist als Rahmenhandlung ganz OK, liegt aber qualitativ meilenweit hinter dem, was man von Horizon Zero Dawn und Horizon Forbidden West gewohnt ist. Aber hier geht es ja auch primär ums Klettern und Bogenschießen, wobei die Kletterei mindestens 2/3 des Spiels einnimmt.

Screenshot von Horizon: Call of the Mountain

Gameplay & Steuerung

VR Headset auf, die neuen Controller in die Hände und los gehts! Gerade VR-Neulinge werden mit der Kajak-Fahrt behutsam mit der neuen Technik vertraut gemacht. Bei der kurzen Reise durch die wirklich beeindruckend schöne Umgebung kann man sich gut an das Mittendrin-Gefühl von VR gewöhnen, die Controller testen und auch mal mit der Hand ins Wasser oder nach Pflanzen greifen. Nach der Intro und einigen Dialogen zieht man dann endlich alleine los und kann die Umgebung zu Fuß erkunden.

Wie schon erwähnt seid ihr die meiste Zeit des Spiels mit Klettern beschäftigt, darüber muss sich jeder Käufer vorab im Klaren sein. Für mich persönlich hätte es gerne wesentlich mehr Action sein können, zumal die Kämpfe wirklich gut funktionieren. Schade auch, dass das Spiel so linear ist und kaum alternative Wege bietet. Man läuft und klettert eigentlich immer vom Lagerfeuer (Checkpoints) zu irgendeiner Arena, in der man dann kurz kämpft und dann geht das Ganze von vorne los. Zwischendurch findet man noch kleine Umgebungsrätsel, Kisten, Upgrades und ähnliches. Sehr gut gefallen hat mir die Vielzahl von Werkzeugen mit denen man nach und nach neue Möglichkeiten zur Fortbewegung bekommt.

Die Steuerung bietet eine Vielzahl an Einstellmöglichkeiten. Die wichtigste Entscheidung ist erstmal, ob ihr im Stehen oder Sitzen spielen möchtet. Beides ist möglich und hat jeweils Vor- und Nachteile. Ihr könnt diese Einstellung aber jederzeit wieder ändern, also probiert in Ruhe aus, was für euch am Besten funktioniert. Ich habe ca. die Hälfte meiner 8 Stunden Spielzeit in jeder Position verbracht. Mir hat Horizon: Call of the Mountain im Stehen wesentlich mehr Spaß gemacht, weil es einfach mehr Freiheiten und Möglichkeiten bietet. Allerdings ist es auch körperlich anstrengender als zu sitzen und insbesondere die Seilrutschen könnten bei manchen Spielern zu Gleichgewichtsproblemen führen. Im Sitzen hat mich gestört, dass ich öfter mal mit den Händen an die Couch gestoßen bin oder meine Beine im Weg waren. Außerdem kann man sitzend viel schlechter in Kisten schauen und übersieht so evtl. etwas. Kleiner Geheimtipp für alle, die im Sitzen beim Klettern und Bogenschießen ständig an die Begrenzung des VR-Spielbereichs stoßen: Richtet den Spielbereich als "Frei im Raum" ein und nehmt die Couch großzügig mit auf. Im Spiel könnt ihr trotzdem sitzend spielen aber habt nun viel mehr Arm- und Kopffreiheit.

Bewegen könnt ihr euch entweder mit den linken Stick oder einer Gestensteuerung, bei der man jeweils einen Knopf am Controller halten muss und dann die Arme in einer Art Jogging-Bewegung nutzt, um Vorwärts zu kommen. Letzteres hat für mich nicht funktioniert, man kommt sich vollkommen bescheuert dabei vor. Zum Glück kam ich mit dem Laufen per Stick gut zurecht, sogar ohne größere Übelkeit, denn eine Teleport-Funktion ist nicht enthalten. Die Geh-Geschwindigkeit lässt sich in Stufen regulieren, für meinen Geschmack hätte es gerne noch eine Option zum Rennen geben können. Die Drehung der Kamera erfolgt, wie gewöhnt, mit dem rechten Stick. Hier kann zwischen "flüssiger" Drehung und mehreren Stufen wählen. Alles leider nicht ideal, aber für mich war dann die Drehung in 30 Grad Schritten noch das kleinste Übel. Die stufenlose Drehung ruckelte in meinem Test so sehr, dass mir davon in kürzester Zeit schlecht wurde.

Das Klettern, Springen und Bogenschießen funktionierte sehr gut und ist absolut intuitiv. Die Werkzeugauswahl hingegen ist verbesserungswürdig. Insbesondere wenn man bereits an einer Wand hängt ist es extrem umständlich mit jeder Hand ein rundes Menü aufrufen zu müssen, aus dem man dann per Stick den Kletterhaken auswählt und mit den Triggern aktiviert. Hier wäre eine Taste hilfreich gewesen, mit der man sofort zum zuletzt genutzten Werkzeug kommt oder einfach die Möglichkeit, die Kletterhaken an den Beinen zu verstauen. Das wäre auch sinnvoller, als sie einfach in die Tiefe fallen zu lassen und dann aus einem schier endlosen Vorrat wieder zwei neue Kletterhaken hervorzuzaubern.

Das Tracking funktionierte meist ganz gut, zumindest deutlich besser, als ich es noch von den Move-Controllern der PS VR gewohnt war. Das hängt aber auch stark von den Lichtverhältnissen ab, es darf in eurem Zimmer weder zu hell, noch zu dunkel sein.

Screenshot von Horizon: Call of the Mountain

Grafik & Sound

Grafisch ist Horizon: Call of the Mountain aktuell sicher das beeindruckendste Spiel für PS VR2. Das Gefühl mitten in einer anderen Welt zu sein stellt sich sofort in der ersten Minute ein und bleibt auch bis zu den Credits. Die postapokalyptische Welt ist wirklich wunderschön und lebendig. Palmwedel wehen im Wind, Blätter fallen von den Bäumen, Vögel, Schmetterlinge, Hasen und weiteres Getier begegnet einem unterwegs. Wasserfälle sehen von Weitem auch wirklich gut aus aber da sollte man nicht zu Nahe heran kommen, denn dann sieht es leider nicht mehr nach Wasser aus. Auch die Weitsicht ist beeindruckend und stellt alles in den Schatten, was ich bisher von PS VR1 gewohnt war. Schwer enttäuscht hat mich hingegen die Qualität der Texturen von Wänden. Bei einem Spiel, das zu ca. 70 % aus Klettern besteht, sollte man doch meinen, dass die Entwickler alles versuchen, um Wände gut aussehen zu lassen. Doch die meisten Steinwände für den Kletterhaken sind einfach nur völlig Flach mit einer matschigen Textur. Tiefe und Struktur wurden hier wohl vergessen. Seltsamerweise ist das bei Eis nicht so, dort sind sogar manche Teile lose und fallen runter, wenn man den Haken einschlägt. Die Physik scheint in VR auch noch größere Probleme zu machen, denn sehr oft schweben beispielsweise Äpfel in der Luft, Grashalme und Schnee ragen von unten durch Fässer ins Innere und ähnliche Bugs. Besonders auffällig war eine Stelle, wo man ein Zahnrad in einen Aufzug einsetzen muss. Nicht nur, dass das Zahnrad überhaupt keinen Kontakt zu den anderen Zahnrädern hat, es dreht sich auch einfach überhaupt Nichts und der Aufzug funktioniert dann plötzlich. Auch das Gewicht einiger Gegenstände fühlt sich nicht stimmig an. Die Steine, die man stapeln soll, scheinen beispielsweise aus Styropor zu sein, so wackelig, wie sie aufeinander liegen und einen großen Hammer kann Ryas kaum mit einer Hand heben, obwohl er stundenlang sein eigenes Gewicht beim Klettern trägt. Solche Kleinigkeiten zerstören ein wenig die sonst so großartige Immersion und enttäuschen bei einem AAA Spiel, für das satte 70€ aufgerufen werden.

Richtig glänzen kann Horizon in VR hingegen durch die gelungene Umsetzung der Maschinen und sehr detailreiche Charaktermodelle, die eine glaubhafte Mimik und Gestik haben. Vor allem die Größe der Maschinen führt zum Staunen, wenn sie einem das erste Mal begegnen. Endlich kann man nachempfinden, wie klein Aloy sich beim Kampf gegen riesige Donnerkiefer und mächtige Sturmvögel gefühlt haben muss.

Der Soundtrack von Call of the Mountain ist erwartungsgemäß gut und passt zum Setting. In den Kämpfen werden die Klänge intensiver und beim Klettern ist es mehr eine sanfte Berieselung. Die Soundeffekte beim Kämpfen und Klettern sind stimmig aber die optionalen Gimmicks, wie herumliegende Rasseln, Trommeln oder Flöten sind viel zu leise und schwach. Die deutsche Sprachausgabe ist in den meisten Fällen sehr gut und sogar relativ lippensynchron. Auf Wunsch gibt es auch Untertitel oder englische Sprache.

Screenshot von Horizon: Call of the Mountain

Fazit

Meine Erwartungen an die neue VR Hardware und den Vorzeigetitel Horizon: Call of the Mountain waren sehr hoch. Trotzdem wurden sie in vielen Punkten sogar übertroffen. Grafisch ist PS VR2 eine riesige Verbesserung zum alten Headset und auch die neuen Controller sind ein Schritt in die richtige Richtung. Ganz ohne Fehler und technische Probleme läuft Horizon aber trotzdem nicht. Lieblose Texturen, fehlende Steinstrukturen, schwebende Objekte, Ruckeln und Trackingfehler sind nur ein paar der Bugs, die mich während dem Test gestört haben. Zu Abstürzen kam es zum Glück nicht – jedenfalls nicht aus technischer Sicht.

Mit einer eher schwachen Story hatte ich schon gerechnet, ist für mich jetzt bei einem VR-Spiel auch nicht ganz so wichtig aber ich hatte gehofft, dass zumindest das Gameplay voll abliefert. Im Prinzip ist das Gameplay auch sehr gut, sowohl das Klettern, als auch die Kämpfe funktionieren. Schade nur, dass da ganze Spiel so extrem linear ist und die Action im Vergleich zum Klettern viel zu kurz kommt. Irgendwann hat man alles gefühlt schon zig mal gemacht und es werden nur noch neue Kombinationen aus Kletterpassagen und Seilrutschen gebildet. Die Rätsel sind auch einfallslos und viel zu offensichtlich. Da war man ja zu Tomb Raider 1 Zeiten kreativer. Beispiel gefällig? Man steht vor einem verschlossenen Raum für den man offensichtlich einen Schlüssel benötigt. Glücklicherweise ist 3 Meter weiter ein anderer Raum, in dem der benötigte Schlüssel einfach so rumliegt. Das geht doch wirklich besser!

Trotzdem ist Horizon: Call of the Mountain ein gutes VR-Spiel mit dem man für ca. 6-10 Stunden in eine andere Welt abtauchen kann, je nach dem, wie schnell man klettert und ob man alles einsammeln und erledigen möchte. Aber außer ein den optionalen Sammelobjekten, Signalen und Steinhaufen gibt es kaum einen Grund das Spiel erneut in die Konsole zu legen. Es gibt noch Kletter- und Bogenchallenges und eine zusätliche passive Kajaktour aber auch die hat man schnell durch und dann wenig Anreiz sie erneut zu spielen. Für den hohen Preis hätte ich hier wesentlich mehr Widerspielwert erwartet. Versteckte Bereiche, optionale Gebiete oder eine Kajakfahrt, bei der man mit dem Bogen auf zufällige Ziele schießen kann, wären doch echt machbar gewesen.

Wer nicht davon abgeschreckt ist, dass man den größten Teil des Spiels mit linearem Gekletter beschäftigt ist, der sollte Horizon: Call of the Mountain irgendwann in seine VR-Sammlung aufnehmen, denn es ist eine großartige Tech-Demo, mit der man sicher jeden VR-Neuling beeindrucken kann. Für eine echte Klettersimulation ist das Klettern zwar nicht anspruchsvoll genug und trotzdem fühlt man sich wie Ethan Hunt in Mission Impossible, wenn man einhändig an einen Felsvorsprung hängt. Als Spiel enttäuscht Horizon leider in vielen Punkten, insbesondere im Hinblick auf den heftigen Preis. Mit dem Kauf sollte man definitiv warten bis das Spiel unter 40€ gefallen ist.

Pro

  • tolle lebendige Umgebungen
  • gutes Arsenal an Werkzeugen und Waffen
  • Bogenschießen funktioniert großartig
  • beeindruckend inszenierte Maschinen
  • actionreiche Kämpfe
  • glaubhafte Mimik und Gestik
  • großartige PS VR2 Tech-Demo

Contra

  • enttäuschender Umfang
  • sehr linearer Spielverlauf
  • zu wenig Bewegungsfreiheit in den Kämpfen
  • zahlreiche Bugs und kleinere Problemchen
  • etwas umständliche Werkzeugauswahl
  • extrem einfallslose Rätsel
  • viel zu hoher Preis

Wertung

Testergebnis: 7.5

7.5 Gut

Kaufempfehlung

50% Kaufempfehlung

50%Angebot abwarten

Getestet wurde Horizon: Call of the Mountain auf PS5 von Tobias Creter. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version 1.003.011 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für Horizon: Call of the Mountain wurde uns von Sony Interactive Entertainment Europe kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!